Klinikum Wilhelmshaven
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20.06.2017 - Frühstückssymposium unter Leitung von Prof. Here Folkerts in Wilhelmshaven

Mit 10.000 Schritten am Tag und modernen internetbasierten Programmen Diabetes davonlaufen und Depressionen vorbeugen

Wilhelmshaven, 20.06.2017 – Welche vorbeugenden (präventiven) Maßnahmen und welche modernen therapeutischen Interventionen sind bei körperlichen und psychischen Erkrankungen möglich? Diese Fragen wurden Mitte Juni beim Frühstückssymposium unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Here Folkerts, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums Wilhelmshaven, diskutiert. Der Fokus lag auf den Volkskrankheiten Depression und der Zuckerkrankheit (Diabetes).

Prävention: Mit 10.000 Schritten pro Tag körperlichen und psychischen Erkrankungen vorbeugen

Sehr eindrücklich legte Prof. Dr. Peter Schwarz vom Uniklinikum Dresden aus seiner Sicht als Diabetologe dar, dass 10.000 Schritte pro Tag die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung sowohl von Diabetes als auch von Depressionen ist. Im Durchschnitt sind Bundesbürger weniger als eine Stunde pro Tag körperlich aktiv; unser Körper ist aber auf sehr viel mehr Bewegung ausgelegt. Veränderte Essgewohnheiten und Arbeitszyklen sowie besondere Lebensereignisse, wie z.B. die Trennung vom Partner, führen bei vielen Menschen zu „emotionalem Essen" und einer Gewichtszunahme. Hieraus resultiert ein deutlich erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Maßnahmen, wie regelmäßige Bewegung, können unter Umständen wirksamer einer Erkrankung vorbeugen, als eine frühzeitige Einnahme von Medikamenten. Dabei konnte Prof. Dr. Peter Schwarz nachweisen, dass Präventionsprogramme auch durch moderne Medien wie eine App (z.B. AnkerSteps) unterstützt werden können. Nach seinen Feststellungen kommt es bei der Prävention weniger auf intensives sportliches Training an, als auf regelmäßige körperliche Aktivität im Alltag - die App motiviert und erinnert dabei an das tägliche Bewegungsziel.

Im zweiten Vortrag von Prof. Dr. Kai Kahl, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover, wurde ebenfalls der Zusammenhang zwischen Bewegung, Diabetes und Depression erläutert. Zudem wurden Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskuläre Erkrankungen) dargelegt. Sein Fazit: Bewegung sollte mehr Beachtung bei behandelnden Ärzten finden. Denn neuere neurobiologische Forschungen unterstreichen, dass neben Psychotherapie und Pharmakotherapie regelmäßige Bewegung ein ausgesprochen wichtiges, häufig aber zu wenig eingesetztes, Therapieelement darstellt. Eine Forderung lautete, dass in jeder Depressionsbehandlung der Bewegungsaspekt zwingend berücksichtigt werden muss.

Behandlung: Internetbasierte Programme ergänzen die ärztliche Depressionstherapie

Jede vierte Frau und jeder achte Mann erkranken in ihrem Leben an einer Depression und Psychotherapie wird in den letzten Jahren zur Depressionsbehandlung zunehmend in Anspruch genommen. Aufgrund des steigenden Behandlungsbedarfes haben sich die Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz deutlich verlängert. So warten Patienten durchschnittlich 8 Monate auf eine Behandlung, obwohl die Anzahl niedergelassener Psychotherapeuten gestiegen ist. „In dieser schwierigen Versorgungssituation sind neu entwickelte, internetbasierte Psychotherapieverfahren, die wissenschaftlich recht gut validiert sind, von großem Interesse und eine Bereicherung für die Therapielandschaft", unterstreicht Prof. Dr. Here Folkerts. Er stellte im zweiten Teil des Symposiums neue internetgestützte therapeutische Verfahren zur Behandlung der Depression vor. Bei den Online-Angeboten handelt es sich um Modifikationen von kognitiver Verhaltenstherapie, die Patienten zuhause und ohne Therapeuten absolvieren können. In Videos, mit regelmäßigen E-Mails und Nachrichten werden Betroffene angeleitet. Diese internetbasierten Therapien sind zertifizierte Medizinprodukte (CE) und berücksichtigen zumindest in gewissem Umfang persönliche Bedürfnisse.

Einige gesetzliche Krankenversicherungen bieten die Online-Programme mittlerweile kostenlos für ihre Versicherten an. Hierzu gehören zum Beispiel das Programm MoodGym (AOK), Deprexis 24 (DAK), TK-Depressionscoach sowie das Programm PRO Mind (Barmer GEK). Es handelt sich hierbei insgesamt um relativ neue Entwicklungen. Mittlerweile gibt es neben Programmen bei Depressionen auch erste internetbasierte Programme für Patienten mit Ängsten. Für die Teilnehmer des Frühstückssymposiums bestand die Möglichkeit, die internetbasierten Therapieprogramme zu testen.

Ersetzen internetbasierte Therapieprogramme eine psychotherapeutische Behandlung im engeren Sinne? Entsprechend den Stellungnahmen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften kann diese Frage gegenwärtig nicht abschließend beantwortet werden. Bei leichteren Depressionen mögen internetbasierte Therapien für Betroffene ausreichend sein. Sie bieten zudem den Vorteil, dass sie jederzeit unabhängig vom Ort eingesetzt werden können und dass der Start praktisch ohne Wartezeit möglich ist. In den meisten Fällen wird allerdings eine internetbasierte Therapie als Überbrückung der Wartezeit auf eine klassische Psychotherapie dienen, ohne dabei eine Psychotherapie gänzlich überflüssig zu machen und ersetzen zu können. „Im Gespräch zwischen Therapeut und Patient wird von Mensch zu Mensch individuell auf die individuellen Probleme im Detail eingegangen. Diese medizinische Hilfe kann ein Online-Programm nicht leisten", merkt Prof. Dr. Here Folkerts an.

Zum Abschluss der Veranstaltung berichtete Herr Dipl.-Psych. Otto Willich, Psychologe der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums Wilhelmshaven, über seine therapeutischen Erfahrungen im Umgang mit internetbasierten Therapieprogrammen. In der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums Wilhelmshaven werden Patienten nach der Entlassung aus der Klinik mittels dieser modernen Therapieform weiterbetreut. Dabei besteht bei einzelnen Programmen die Möglichkeit, den Therapeuten (in Absprache mit dem Patienten) an den internetbasierten Therapien teilhaben zu lassen. Rückfällen soll vorgebeugt werden, die wissenschaftliche Datenlage zeigt die Wirksamkeit.

Insgesamt zeichnet sich mit diesen neuen Therapieverfahren zur Behandlung von Depressionen ein interessantes Feld ab, welches jedoch weiterer Forschungen bedarf.

Fest steht, dass Bewegung (Ziel: 10.000 Schritte am Tag) und Psychotherapie wesentliche Elemente zur Behandlung von Depressionen sind. Bewegung kann dabei bereits präventiv wirken.

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